
Legendär wurde Angela Lansbury durch „Mord ist ihr Hobby“. Jetzt ist die britische Film- und Musicaldarstellerin im Alter von 96 Jahren gestorben. Irgendwie war sie immer da – und irgendwie hat sie alle überlebt. Sie war stets beschäftigt, aber selten in Hauptrollen. Ein Nachruf.
Irgendwie war sie immer da. Kein Wunder, wenn man seinen ersten und bereits bedeutenden Film 1944 gedreht hat. Sie bekam später einen (Ehren-)Oscar und drei Nominierungen, sechs Golden Globes, drei Grammys, fünf Tonys und war „Disney-Legende“, stand aber längst nicht immer in der ersten Reihe. Sie war Engländerin, wurde aber in Amerika berühmt. Sie war Schauspielerin im Film, auf der Theater- und Musicalbühne, am New Yorker Broadway und im Londoner West End. Sie war für ihr Gesicht wie für ihre Stimme bekannt. Sie war Dienstmädchen und große Dame, Mörderin und Hobbykommissarin, Tragödin und Komödiantin. Lange war sie auch eine der Musen der Komponistenlegende Stephen Sondheim. Sie war Angela Lansbury.
Irgendwie hat sie alle überlebt. Als einer der letzten Stars aus der großen, nicht immer rühmlichen Zeit des Hollywood-Studiosystems hat sie sich doch scheinbar anstrengungslos der multikanaligen Entertainment-Welt von heute angepasst. Sie war stets beschäftigt, aber selten in Hauptrollen. Wirklich legendär wurde die am 16. Oktober 1925 in London geborene Angela Lansbury erst im Alter durch die Rolle der Jessica Fletcher in der Fernsehserie „Mord ist ihr Hobby“, die als eine der langlebigsten Krimistoffe von 1984 bis 1996 gedreht wurde. Und eigentlich viel zu spät, erst 2014, wurde sie als Dame Commander des Order of the British Empire in den englischen Adelsstand erhoben.
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Vielleicht noch mehr als durch ihr nie wirklich hübsches, das rundliche Gesicht und die hervorquellenden Augen aber unvergesslich machendes Aussehen definierte sich Angela Lansbury über ihre Stimme: Die war immer schon etwas rau und schepprig, hatte aber eben eine unverwechselbaren, distinguiert britischen Tonfall, der ihr vor allem in voranschreitenden Jahren half, älteren, ein wenig skurrilen Damen ein scharfes Profil zu verleihen: von der nonkonformistischen, doch lebensklugen Buch-, Musical- und Film-Heldin „Mame“ als Beschützerin eines Waisenjungen, über die mordende und kannibalische Pastetenbäckerin Mrs. Lovett in Sondheims viktorianischer Barbier- und Blut-Schnurre „Sweeney Todd“ und die Hobby-Detektivin Jessica bis hin zur omagroßmütigen Madame Pottine, die in der Disney-Animierfilmversion als sehr lebendige Teekanne das Titellied über „Beauty and the Beast“ anstimmt.

Angela Lansburys irische Mutter Moyna MacGill war bereits eine erfolgreiche Schauspielerin. So rutschte sie einigermaßen natürlich ins Geschäft, zunächst in Kabaretts und Nachtclubs in Montreal und New York, da die Familie 1940 infolge der Weltkriegsbomben nach den USA ausgewandert war. Mit 17 Jahren ergatterte sie sich ihre erste Hollywood-Rolle – und das gleich in einem Klassiker: In „Das Haus der Lady Alquist“ (1944) war sie Ingrid Bergmans vorwitziges Cockney-Hausmädchen. Eine erste Oscar-Nominierung und ein Sieben-Jahres-Vertrag mit Metro Goldwyn Mayer waren die Folge.
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Ihre zweite Oscar-Nominierung gab es bereits ein Jahr später für „Das Bildnis des Dorian Gray“. Doch dann waren größere Rollen, wie eine fiese Zeitungsbesitzerin in Frank Capras „Der beste Mann“ oder eine nymphomanische Tochter in der vergnüglichen Danny-Kaye-Klamotte „Der Hofnarr“, die Ausnahmen. Sie galt als B-Listen-Schauspielerin für meist unsympathische, oft ältere Frauen. Die Stars ihrer Filme waren Elizabeth Taylor, Judy Garland, Hedy Lamar, Lana Turner, Sandra Dee oder Elvis. Das aber besserte sich, als Angela Lansbury 1962 zum dritten Mal den Oscar in Aussicht hatte: als abgrundtief böse, berechnende Mutter und Kommunistenjägerin, die über Leichen geht, in John Frankenheimers noch heute großartigem, 2004 neuverfilmten Politthriller „Botschafter der Angst“. Plötzlich war sie sogar eine der 25 größten Schurken und Schurkinnen der Leinwand.
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Erstmals sang Angela Lansbury 1971 im Kino in dem Disney-Klassiker „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett“. Und spätestens damals, als ihre Zeit zwischen Irland und New York aufteilende Mittvierzigerin, okkupierte sie das Alte-Damen-Fach auch freiwillig für sich – ob in opulenten Agatha-Christie-Verfilmungen wie „Tod auf dem Nil“ (1978) und zwei Jahre später in „Mord im Spiegel“ oder als Großmutter in „Die Zeit der Wölfe“ (1984). Noch 2018 tauchte sie an der Seite von Emily Blunt und Dick Van Dyke als Ballonfrau in „Mary Poppins’ Rückkehr“ auf.
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Längst aber war sie im Fernsehen sehr beschäftigt, vor allem in den 264 Folgen von „Murder, She Wrote“ als herumschnüffelnde Ex-Lehrerin in New England. Aber auch im Theater hatte Angela Lansbury eine so blühende wie langjährige Karriere, mit Hauptrollen-Höhepunkten wie 1966 in Jerry Hermans „Mame“ (in der schlechten Verfilmung wurde sie von der bekannteren Lucille Ball ausgestochen) und in „Dear World“ (1969), Hermans Musical-Fassung von Giraudoux‘ „Die Irre von Chaillot“, als Mama Rose in „Gypsy“, und vor allem als Sondheim-Star in „Anyone Can Whistle“ (1964), „Sweeney Todd“ (1979) und „A Little Night Music“ (2009).
2007 kehrte sie nach 23 Jahren mit Terrence McNallys „Deuce“ an den Broadway zurück. 2009 feierte man Angela Lansbury dort und – nach 40 Jahren wieder – in London in Noël Cowards „Blithe Spirit“. Die schräge Spiritistin Madame Arcati spielte sie bis 2015. Nur ihre Stimme war 1982 in den Zeichentrickfilmen „Das letzte Einhorn“ und 1997 in „Anastasia“ prominent zu vernehmen.
Das 1990 erschienene „Positive Moves“ als Mix aus Autobiografie, Wellnessweisheiten und positivem Denken begleitete ein Trainingsvideo. Ein Ratgeber zur Gestaltung von Fest- und Hochzeitsreden folgte. Am Dienstag ist Angela Lansbury in ihrem Haus in Los Angeles gestorben, diese große bekannte Unbekannte mit der Karriere über acht Dekaden hinaus, ein Golden Girl als ewige Oma, aber auch Schwulenikone. Am Sonntag wäre Lansbury 97 Jahre alt geworden.